nr. 06





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© 2002 Urheberrecht
von Text und Bild bei
Christian Schloyer



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Abend


In stiller Farbpracht gaben sich Tag und Nacht die Hand, hüllten Wald und Wiesen in sanften Dämmer. Ein Kiesweg, zu dieser Stunde in mattes Weiß gehüllt, begleitete den schmalen, an Bäume und Gräser geschmiegten Fluß. Die Spaziergänger, die hier des Abends vom Dorf herab lustwandelten, waren kaum mehr als Schatten. So auch das alte Mütterchen, welches ihr Tagwerk damit zu beschließen pflegte, ihren munteren Hund am Ufer entlang zu führen.
Just an diesem Abend beschloß ich entgegen meiner Gewohnheit, den weißen Pudel zu reiten. Ich hatte genug von den dreitägigen Bauchfahrten in den fetten, kuhäugigen Karpfen. Als ich jedoch in die Hundeseele fuhr, so wie ich einst in die Schweine getrieben worden war, wurde mir jäh bewußt, daß mich mein Opfer erkannte. Ich erschrak darüber sehr. Der Fluß erwachte zum Leben, das Mütterchen erklomm die steinerne Brücke und ließ die Leine fahren. Der Hund begab sich zur Tränke und befahl dem Strom, sich meiner anzunehmen. Nie zuvor hatte ich den Herzschlag des trägen Gewässers gespürt - nie zuvor auf meinen langen Wasserreisen.
Von Entsetzen gepackt verkürzte ich den Abend und stürzte die Menschheit ins Verderben. Der Hund aber, der niemand anderes als der Teufel war, trieb die Karpfen und die Wasserflöhe ins sichere Meer. Seine Leine war durchnäßt vom Silber des übereilten Mondes. Mich indes würgten schwarze Algenschlingen.